Vorweg: Wenn ich solche Beiträge verfasse, habe ich das Bedürfnis etwas los zu werden und dabei kann es vorkommen, dass sich der eine oder andere Fehler im Text einschleicht ;).
Ehrlich – es ist schon ein wenig schockierend. Wie viele wissen, habe ich mich – abgesehen von meiner neuen Leidenschaft, der Tierfotografie – auf Portrait- und Aktfotografie spezialisiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass man das tun sollte, was man am liebsten hat. Es gibt keinen Fotograf, auch wenn dies viele anbieten, die in allen Bereichen Profis sind. Nochmal deutlich – das gibt es nicht! Ein Spezialist – und das verrät schon der Name – spezialisiert sich auch einige, wenige Bereiche. Aber ich merke, ich schweife ab – dazu werde ich einen eigenen Beitrag schreiben…
Zurück zum Thema: Ich habe immer wieder junge Frauen vor der Kamera, die ein so falsches Selbstbild von sich haben, dass es mir teilweise Angst macht. Dazu muss ich ein wenig weiter ausholen und mehr erzählen…
Erst vor kurzem hatte ich eine junge, hübsche Frau – nennen wir sie Nina – vor der Kamera, die sich wirklich nicht verstecken muss. Es waren wirklich sehr gute Fotos dabei und doch hatte sie auf fast jedem Foto etwas auszusetzen. In so einem Fall versuche ich immer zu verstehen, woran es liegt und frage nach um meine Kunden besser zu verstehen. Im konkreten Beispiel fand sie ihren Bauch zu dick, die Oberschenkel zu fett, das Gesicht zu rund etc.
Fast jeder hat etwas an sich, dass er/ sie gerne anders hätte – aber hier war es einfach zu viel. Und um das klar zu stellen – Nina ist nicht einmal mollig. Es gab und gibt keinen Grund hier etwas am Bauch, Po, … mit Photoshop nachzuhelfen. Nicht das jemand denkt, dass ich kein Photoshop benutze – ich bearbeite so gut wie alle meine Fotos, das ist Teil meiner Arbeit.
Bei meinen Shootings nehme ich mir gerne vor und nach dem Shooting etwas mehr Zeit. Vorher, um eine Beziehung zum Kunden aufbauen zu können – was extrem wichtig ist – und im Nachhinein suchen wir meistens die Fotos gemeinsam aus und besprechen diese. In meinem Gespräch mit Nina stellte sich heraus, ihr Exfreund “erklärte” ihr jahrelang, wie hässlich und fett sie sei. Um Kraftausdrücke zu vermeiden, möchte ich nicht schreiben, was ich darüber denke. Diese jahrelange “Irreführung” hat offensichtlich tiefe Narben und einen großen Schaden hinterlassen.
Hier hat sicher der ehemalige Partner einen großen Teil Schuld daran – aber das ist nicht immer so. Sehen wir uns die Werbung oder verschiedene Formate im TV an, die immer wieder zeigen, wie die “optimale” Frau auszusehen hat. Gehirnwäsche vom Feinsten, der wir uns nicht entziehen können.
Ich hatte auch schon einige Profimodels vor der Kamera und ich versichere – keine sieht so aus wie am Magazincover. Hautretusche, Pickel weg, ein wenig Zellulite und ein wenig verflüssigen. Und auch hier ganz ehrlich: Ich finde es nicht schlimm, wenn man ein wenig nachhilft – und am Ende des Tages ist es auch Geschmacksache. Jedem das seine.
Was ich aber nicht kann: Wenn mich ein Model wie Nina bittet, sie noch dünner zu machen. Um zu veranschaulichen was ich meine: Beim letzten Aktshooting lag Nina am Boden und der – aus meiner Sicht gesehen – gegenüberliegende Rippenbogen war genauso dominant wir ihr Busen – und auch annähernd gleich hoch. Seitlich waren 3-4 Rippen deutlich zu sehen und gerade soviel vom Bauch, dass man wusste, dass auch Nina einen Bauch hat. Sicher – hier kann man sehr viel mit Licht “korrigieren” und anders darstellen – aber wir wollten einen bestimmten Effekt erzielen.
Als ich das Bild sah, stachen mir sofort die Rippen ins Auge und ich fand das Foto zu extrem. Was sah Nina zuerst? Richtig – ihren “dicken” Bauch. Ansonsten gefiel ihr das Foto aber gut.
Ich sagte ihr, dass sie das Foto haben kann, wenn ich a) die Rippen ein wenig “entschärfen” dürfe und sie b) das Foto nicht veröffentlicht. Ich möchte nicht dazu beitragen, dass junge Frauen in dem Glauben aufwachsen, dass sei das Ideal.
Nina ist ein liebenswerter, guter Mensch und ich bin froh, dass sie wieder bei mir war, weil es mir zeigt, dass sie nicht ganz unzufrieden mit den Fotos ist und vielleicht konnte ich ihr Bild vom perfekten Körper ein wenig ändern. Ich hoffe es.
Ein sehr passendes Video, dass mir in solchen Situationen immer wieder einfällt, ist das Werbevideo von Dove. Hier wird ein FBI Zeichner eingesetzt, der verschiedene Frauen zeichnen darf. Zuerst treffen sich die Frauen in einem Raum und lernen sich kennen. Danach werden sie nacheinander aufgerufen und beschreiben eine der anderen Frauen – ohne dabei vom FBI-Mann gesehen zu werden. Danach kommen alle Frauen nochmal und beschreiben sich selbst. Seht euch die Ergebnisse selbst an. Hier der Link zum Video.
Eine andere Kundin wollte ihrem Freund eine Überraschung bereiten und wollte ein Aktshooting. Sie ging zu einem lang eingesessenen, bekannten Fotografen, der ihr ein Shooting um € 70.- (in Worten: siebzig) inkl. 15 Fotos anbot. Vorgespräche gab es keines, Kleidung aus und 15 Minuten vor 2 verschiedenen Hintergründen – fertig! Die Kundin – 1,65cm groß, knapp 50kg leicht, war mehr als unzufrieden. Auch kein Wunder – der Fotograf schaffte es, sie unproportional dick aussehen zu lassen – natürlich hat sie diese Fotos nicht weitergeschenkt und will sie auch nie wieder sehen. In gewisser Weise geht das schon in Richtung Kunst, wenn es nicht so traurig wäre. Ich war fassungslos als ich die Fotos sah und wollte ihr unbedingt beweisen, dass das auch anders laufen kann und schenkte ihr ein Shooting. Resultat: Sie war überglücklich und der größte bestellte Print war 70x105cm – was mich sehr freute und noch immer freut.
Liebe Models und alle junge Damen, die sich fotografieren lassen möchten: Der Fotograf kann wesentlich dazu beitragen, wie ihr euch nach einem Shooting fühlt. Wenn es gar euer erstes Aktshooting ist, geht nicht zu einem Amateur – es sei denn, ihr seid so gut befreundet, dass euch nichts “passieren” kann. Das klingt “gefährlich” – und das ist es meiner Meinung nach auch. Und noch etwas: Wenn ihr euch wohler fühlt – vor allem beim ersten Mal – nehmt eine Freundin mit, wenn es hilft. Kein professioneller Fotograf wird euch diesen Wunsch abschlagen. Wenn doch: schnell weg und sucht euch einen Andern!!
Fotografen: nehmt euch Zeit für eure Kunden, wenn ihr so intime Fotos machen dürft. Es ist ein riesiger Vertrauensvorschuss, denn uns die Kundin entgegenbringt, und das muss geschätzt werden. Gerade im Akt-Bereich könnt ihr viel Gutes tun, aber eben auch zerstören. Nehmt nicht jedes Shooting zu jedem Preis.
Seht das Shooting als kurze Partnerschaft: Ihr bringt eure Leistung, schenkt eine tolle Zeit, eine Erfahrung, euer Knowhow und werdet dafür bezahlt. Wenn es euch zu wenig ist, nehmt den Job nicht an.
Das Leben hinterlässt einfach Spuren. Spuren vom Erfolg des Abnehmens, Narben eines überstandenen Unfalls, Einrisse in der Haut durch die letzten Schwangerschaften uvm…. traut euch und seid stolz – ihr habt ganz sicher das Recht dazu.
Habt ihr schon von Taryn Brumfitt’s Schock-Foto gehört? Sie postete ein vorher-nachher Foto und erntete nicht nur nette Worte, weil sie es andersrum machte. Sie zeigt das Vorher – schlank, jung, trainiert und auch das Nacher – Leben. Ein absolut sehenswerter Film – hier der Trailer.
Ende Mai bis Anfang Juni geben wir 2 Workshops mit Model und MakeUpArtists in Vela Luka / Kroatien und auch hier ist ein großes Thema “der richtige Umgang mit dem Model“.
Das wollte ich mal los werden 😉
Noch eine schöne Woche,
Peter
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